Fachtagung Bauherr und Baukultur
 

Der Eros des Bauherren – wie gelingt Baukultur im Wohnungsbau?

Im Deutschen Architekturzentrum DAZ diskutierten auf Einladung des Kompetenzzentrums Großsiedlungen mehr als 70 Interessierte über die Verantwortung des Bauherren für anspruchsvolle Architektur und Qualität im Wohnungsbau.
Was für ein interessanter und berührender Nachmittag!
Anlass war der 90. Geburtstag von Hans Jörg Duvigneau, der in den 1980er und 1990er Jahren als langjähriger Geschäftsführer der damals größten Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW den Wohnungsneubau ebenso wie die Sanierung ganzer Stadtquartiere mitgeprägt hat und von 2005 bis 2008 Vorstandsvorsitzender des Kompetenzzentrums Großsiedlungen war.
Die Verantwortung des Bauherren im Rückblick
In seinem Rückblick auf die 1980er Jahre beschrieb Winfried Brenne, wie ohne die enge Partnerschaft der Architekten mit der Eigentümerin GSW die denkmalgerechte Sanierung der Siedlungen der 1920er Jahre nicht gelungen wäre. Heute zählen sie zum Weltkulturerbe.

Nahezu zeitgleich fand im Westteil Berlins nach vielen politischen Auseinandersetzungen ein Umdenken beim Umgang mit der Innenstadt statt – vom Abriss und Ersatzneubau hin zur behutsamen Sanierung. Theodor Winters schilderte, wie die GSW als Partner der Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung S.T.E.R.N. und im Dialog mit den Bewohnern ganze Stadtquartiere in Kreuzberg saniert und wieder in Wert gesetzt hat.

Das spektakuläre, für viele Berliner und Besucher wohl schönste Berliner Hochhaus an der Kochstr., in den 1990er Jahren erbaut als Firmensitz der GSW, wäre nach der Schilderung seines Architekten Matthias Sauerbruch ohne das Engagement und die Risikobereitschaft der Geschäftsführung und vieler Mitarbeiter der GSW nicht zustande gekommen.
Die Verantwortung des Bauherren im aktuellen Berliner Wohnungsbau
Wie komplex die heutigen Anforderungen an gemeinwohlorientierte Bauherren geworden sind, wurde im Beitrag von Ingo Malter am Beispiel aktueller Vorhaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND deutlich. Die politische Forderung nach schnellem Wohnungsbau in großer Stückzahl und hoher Qualität, aber zu bezahlbaren Mieten, setzt dem Erproben neuer Wohnformen und Bautechniken enge wirtschaftliche Grenzen. Und verlangt daher umso mehr Willen und Durchsetzungskraft des Bauherren.

Karsten Ewert bestätigte anhand von neuesten Projekten der WG Wuhletal eG, dass auch für Genossenschaften, bei denen die Nutzer und Eigentümer identisch sind, das Spannungsfeld zwischen hohem Qualitätsanspruch und tragbaren Kosten mit den Mitgliedern immer wieder neu auszutarieren ist.
Ein persönlicher Rückblick - Der Eros des Bauherren
Für seinen beeindruckenden persönlichen Rückblick hatte Hans Jörg Duvigneau den Titel „Der Eros des Bauherren“ gewählt, als Sinnbild für die Liebe zum Bauen, für das Streben nach dem Guten und Schönen. Damit der Bau gelingt, bräuchte es festen Willen, Ehrgeiz und Beharrlichkeit des Bauherren. Mit diesen Eigenschaften sei es möglich, den alltäglichen Widrigkeiten zu trotzen und auch im Wohnungsbau dauerhaft Schönes und Nützliches zu schaffen.
Podiumsrunde
In der abschließenden Podiumsrunde waren sich die Teilnehmer einig: Der Bauherr kommt in der öffentlichen Diskussion über anspruchsvollen, aber gleichwohl bezahlbaren Wohnungsbau zu selten zu Wort, er wird zuweilen sogar eher negativ wahrgenommen. Dabei sei bei der Erneuerung wie beim Neubau ganzer Quartiere komplexe Führung durch die Auftraggeberseite unverzichtbarer denn je.

Bei allen Problemen und Herausforderungen ist es wichtig, an Erfolge und positive Erfahrungen zu erinnern, an denen der aktuelle Wohnungsbau anknüpfen kann. Gefragt sind gemeinschaftliche Initiativen aller am Bau Beteiligten, damit die Öffentlichkeit die Kompliziertheit von Bauherrenschaft im Wohnungsbau besser verstehen und würdigen kann.
Bernd Hunger erinnerte in seinem Resümee als Moderator daran, dass das Kompetenzzentrum Großsiedlungen mit dieser Tagung bewusst die Verantwortung des Bauherren herausheben wollte. Sein Wirken springt nicht so ins Auge wie der Entwurf des Architekten, ist aber weit über das eigentliche Bauen hinaus die Voraussetzung für ein Wohnmilieu, in dem sich Menschen wohlfühlen. Der Bauherr ist der Architekt des Wohnmilieus.
  • Zusammenfassung der Tagung
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  • Einladung und Programm
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