Projekt Dnepropetrowsk
 

Energieeffizinz in der Ukraine - der Wille ist vorhanden, aber....

Durch die nun bereits drei Jahre laufende, intensive Zusammenarbeit mit der Stadt Dnepropetrowsk, konnten Erkenntnisse dahingehend gewonnen weden, welche Hemnisse vorhanden sind und welche Chancen eine energetische Sanierungen im Wohnungssektor bringen könnte.
Landläufig steht die Behauptung im Raum, dass es in den Länder Mittel- und Osteuropas an finanziellen Ressourcen fehlt, um energetische Sanierungsmaßnahmen durchführen zu können. Dies impliziert immer die finanziellen Möglichkeiten der Bewohner. Jedoch ist die Situation bei gesamter Betrachtung des Finanzkreislaufes etwas anders. Der Staat Ukraine ist vertraglich an das russische Unternehmen GAZPROM gebunden und importiert Gas z.Z zu einem Preis von 416 $/1.000m³. Rechnet man ca. 25% interner Vertriebskosten im Land hinzu, kosten 1.000 m³ rund 520 $. Abgesehen von regelmäßigen Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und GAZPROM wird dieser Preis vom ukrainischen Staat entrichtet!
Erste Erkenntnis:
Geld ist vorhanden!


Ein Problem der Ukraine besteht in der sehr veralteten und ineffizienten Anlagentechnik und Infrastruktur. So geht ein Großteil des bezahlten Gases auf Grund ineffizienter Wärmeerzeugung und –leitung verloren. Die Kollegen in Dnepropetrowsk gehen von mehr als ein Drittel Leitungsverlusten bis zur Wohnung aus. Zudem führt der Zustand der Wohngebäude zu weiterer Ineffizienz. Vorsichtige Berechnungen aus unserer Studie gehen von über 50% Wärmeverlusten an den Wohngebäuden aus. Bezogen auf die von uns untersuchten ca. 110.00 Wohnungen in der Stadt Dnepropetrowsk macht dies einen finanziellen „Verlust“ von ca. 82.000.000 $/Jahr aus.
Weitere ukrainischen Fachleute und Institutionen beziffern die Verluste sogar zwischen 50% bis 75%.
 
Zweite Erkenntnis:
Mehr als 50% der finanziellen Ressourcen werden für die Beheizung der Umwelt und nicht der Wohnung verschwendet!


Zur Erhaltung des sozialen Friedens wird der Gaspreis für den privaten Endverbraucher vom ukrainischen Staat stark subventioniert, einige besondere Bevölkerungsgruppen (Rentner, ehemalige Armeeangehörige usw.) werden gänzlich von der Zahlung befreit. Gesetzlich geregelte Sanktionsmöglichkeiten für „notorische“ Nichtzahler sind nicht vorhanden. Die deutsche Beratergruppe in der Ukraine (eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie) hat in ihrem Newsletter Nr. 44 vom April 2012 ausgeführt, dass die durchschnittlichen Subventionen für den Endverbraucher einer normalen Wohnung beim Gas bei ca. 84% des tatsächlichen Gaspreises liegen.
 
Dritte Erkenntnis:
Der Staat hat den größten Nutzen bei höherer Energieeffizienz!


Allgemein wird davon ausgegangen, dass die ungeklärte Eigentumssituation nach der erfolgten Privatisierung der Wohnungen, eines der größten Hindernisse für eine erfolgreiche Umsetzung energetischer Sanierungsmaßnahmen darstellt. In einem Memorandum hat das Anwaltsbüro Arzinger im Auftrag des Kompetenzzentrums dargestellt, dass die ukrainischen Gesetze eindeutige rechtliche Regelungen bzgl. des Sondereigentums an der Wohnung, des Gemeinschaftseigentums (Miteigentum) und des dazugehörigen „logischen“ Grundstücks umfassen, die zu großen Teilen mit dem deutschen WEG vergleichbar sind.
Das Problem besteht also nicht in der Verantwortlichkeit für das Eigentum durch den Wohnungseigentümer, sondern zum einen in der über Generationen „gewachsenen“ Gewohnheit, dass der Staat sich um alles kümmert und zum anderen in der Problematik, dass ein nicht unerheblicher Teil der Wohnungseigentümer nicht ansatzweise über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, um überhaupt eine „ordentliche“ Bewirtschaftung ihres Eigentums zu garantieren. Von Wertsteigerung der Immobilie durch Sanierung und Modernisierung ganz zu schweigen.
 
Vierte Erkenntnis:
Die Eigentumssituation ist rechtlich eindeutig!


Die Zuständigkeiten im Bereich des Immobiliensektors und damit der Energieeffizienz liegen überwiegend bei den Kommunen. Der Staat hat auch hierfür den rechtlichen Rahmen vorgegeben.
So werden die Subventionen des Gasverbrauchs der Bewohner zwar durch den Staat in den kommunalen Haushalten ausgeglichen, aber die entsprechenden kommunalen Tarife, die hierfür die Berechnungsbasis stellen, werden mit mindestens zweijähriger Verzögerung durch den Staat erlassen, so dass diese Tarife nicht kostendeckend für die Kommunen sind und die Defizite kommunaler Versorger permanent durch den kommunalen Haushalt ausgeglichen werden müssen.
Zu dem werden den Kommunen alle Anreize für mehr Energieeffizienz genommen. So dürfen notwendige Investitionen der Kommunen z.B. ins marode Versorgungsnetz nicht in den Tarif einkalkuliert werden. Gleichzeitig wird aber der stattliche Subventionsanteil für die Bewohner reduziert, da durch moderne Netzinfrastruktur mit geringeren Energieverlusten auch die Gasverbräuche der Bewohner reduziert werden und damit der Anteil der staatlichen Subvention sinkt.
 
Fünfte Erkenntnis:
Staatliche Regelungen schränken kommunale Aktivitäten ein oder verhindern diese!


Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für ein Finanzierungsmodell in Dnepropetrowsk. Es geht von der Annahme aus, dass die Stadt Dnepropetrowsk energetische Sanierungsmaßnahmen am „Gemeinschaftseigentum“ des Hauses als Vorleistung erbringt und über die erzielte Einsparung refinanziert.
Dabei wird empfohlen, die energetischen Sanierungen zweigeteilt vorzunehmen. Zuerst mit einer Maßnahme, die vergleichbar geringe Investitionen bei hoher Einsparungsquote erfordert. Dies ist aus zwei Gründen notwendig.
Zum einen können, wenn überhaupt, nur geringe Vorfinanzierungen erbracht werden, die auch nur über den Stadthaushalt bereit gestellt werden können, da sich der derzeitige Zinssatz in der Ukraine um die 20% p.a. bewegt und damit jede private Investition unmöglich macht und zweitens weil davon auszugehen ist, dass die ukrainische Bauwirtschaft derzeit nicht in der Lage sein wird, umfangreiche, komplexe Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in „angemessener“ Qualität und Dimension umzusetzen.

Als Maßnahme wurde hierfür der Einbau einer Gasbrennwerttherme vorgeschlagen. Die Gründe hierfür sind:
Erstens sind fast alle Häuser in Dnepropetrowsk sowohl mit einem Fernwärmeanschluss als auch mit einem Gasanschluss versorgt. Dabei wird das Gas von den Bewohnern ausschließlich zur Warmwasserversorgung und zum kochen genutzt. Mit dem Einbau der Gasbrennwerttherme kann also auch auf den Fernwärmeanschluss verzichtet werden wodurch sich zum einen zukünftige Investitionen zur Modernisierung der Fernwärmenetze erübrigen und gleichzeitig die hohen Verlustraten beim Wärmetransport entfallen. Durch die beschriebene Ausgangssituation können abhängig von Gebäudetyp und beheizbarer Wohnfläche, Amortisierungszeiten von 3-5 Jahren erreicht werden. Da die dann erzielten Einsparungen von Dauer sind können freiwerdende Haushaltsmittel, die nicht mehr zur Subventionierung des Gasverbrauches benötigt werden, in eine spätere komplexe energetische Sanierung fließen.
Das Finanzierungsmodell verdeutlicht, dass der Sanierungs- und Modernisierungsprozess zu bewältigen ist, wenn
- der politische Wille in der Stadt vorhanden ist,
- der Staat den Kommunen in überschaubaren Zeiträumen finanzielle Handlungsspielräume
einräumt und
- die Bewohner auf dem Weg mitgenommen werden.

Es sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass es auch einige Interessengruppen in der Ukraine gibt, die an der Einsparung importierten Gases wenig Interesse haben. An der Durchsetzung dieser gesamtstaatlichen Interessen gegenüber starker Particularinteressen im Bereich des Klimaschutzes und der Energieeffizienz wird sich die Ukraine messen lassen müssen.
 

Projekt Dnepropetrowsk - erfreuliche Entwicklungen

Die hohen Preise für russisches Gas, verbunden mit immensen Wärmeverlusten und stattlichen Unterstützungsleistungen für die Bewohner üben erheblichen Druck auf die öffentlichen Haushalte aus, so dass die Energieeffizienz zu einer der wichtigsten Aufgaben ukrainischer Kommunen geworden ist.
Die stark gestiegende Nachfrage anderer ukrainischer Städte an einer Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum ist dafür ein deutliches Zeichen.
Das Projekt in der Stadt Dnepropetrowsk entwickelt sich überraschend gut. Das im Entwurf vorgestellte Finanzierungsmodell wurde von der Stadt sehr begrüßt und im Ergebnis wurden bereits Haushaltsmittel für 2013 und 2014 für durchzuführende Pilotprojekte festgelegt.
Die konkreten Pilotprojekte werden derzeit eruiert und mit uns abgestimmt
Darüber hinaus hat der Verein den Kontakt zur Deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung aufgenommen und auch mit dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft erste Gespräche zu einer weiteren, intensiveren Zusammenarbeit in der Ukraine geführt.
  • Vortrag Finanzierungsansatz für Dnepropetrowsk
    Download [pdf | 1 MB]

Beratungsprojekt Dnepropetrowsk

Das Kompetenzzentrum Großsiedlungen hat im Auftrag des BMWi und der KfW eine Studie zur energetischen Sanierung des industriell gefertigten Wohnungsbestandes für die Stadt Dnepropetrowsk in der Ukraine erstellt.
Im Rahmen des Beratungsprojektes fand Ende September das erste Treffen mit der Stadt Dnepropetrowsk statt.
Ziel dieses Treffens war es, die Auswahl von vier Gebäudetypen vorzunehmen, die in größerem Umfang in der Stadt Dnepropetrowsk errichtet wurden, eine Besichtigung der Wohngebäude und die Übergabe der Gebäudedokumentationen und Unterlagen sowie die nächsten Aufgaben und Termine abzustimmen.
In Gesprächen mit den Verantwortlichen Vertretern der Stadt wurde nochmals deutlich gemacht, dass die Stadt ein elementares Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum und den hier vorhanden Erfahrungen hat.

Die Herangehensweise an eine umfassende Analyse wird als erster Schritt zu einer städtischen Sanierungsstrategie hervorgehoben, wobei die vorhanden nationalen Rahmenbedingungen ebenso zu berücksichtigen sind.
Die ständig steigenden Gaspreise zwingen die Stadt zum Handeln. Gleichzeitig stellt die erfolgte Privatisierung mit oft nicht handlungsfähigen Wohnungseigentümern eine besondere Hürde dar. Positiv ist zu bewerten, dass sich die Stadt eindeutig ihrer Eigentümerverantwortung für das Gebäude stellt, solange keine Kondominium (Eigentümergemeinschaft) gegründet wurde.
Damit könnte ein sonst typisches Handicap bei der Sanierung geklärt sein.

Die beiliegenden Bilder geben einen ersten Eindruck über die immense Aufgabe, die vor den Verantwortlichen der Stadt Dnepropetrowsk und mit Blick auf die Ukraine insgesamt, auf die nationale Wohnungspolitik liegt.

Nach dem Treffen Ende November in Berlin, bei dem die technische Analyse und unsere Empfehlungen eingehend diskutiert wurden und bei einer Rundfahrt beispielhafte Sanierungsprojekte in Berlin besichtigt wurden, konnte die Studie fertiggestellt und an den Auftraggeber übergeben werden.

Bei einem weiteren Treffen im April 2012 in Dnepropetrowsk haben die Vertreter der Stadt Dnepropetrowsk die Studie vollständig bestätigt.
Zur weiteren Zusammenarbeit wurde vereinbart, ein Finanzierungsmodell zu erarbeiten, Pilotprojekte zu eruieren und die Stadt bei der Neustrukturierung ihrer Wohnungsverwaltungen beratend zu unterstützen.
Mit der Neuorganisation der städtischen Wohnungsverwaltungen hat die Stadt bereits begonnen. Dabei werden aus den bisher 49 Verwaltungseinheiten nur noch vier Wohnungsbaugesellschaften verbleiben, deren Aufgabenspektrum ebenfalls neu strukturiert werden soll.

Anfang Oktober 2012 werden die ersten Abstimmungen für ein Finanzierungsmodell diskutiert und abgestimmt werden, so dass auf dieser Grundlage die Auswahl der Gebäude als Pilotprojekte erfolgen kann.
Die Grundlagen des Finanzierungsmodells sollen sein:
- maximale Einsparung von Gas
- minimaler Investitionsaufwand
- minimaler baulicher Aufwand und
- Verringerung zukünftiger Risiken
Damit soll die Stadt Dnepropetrowsk in die Lage versetzt werden, die notwendigen Maßnahmen möglichst aus eigener Kraft zu bewältigen.

Anbei stehen die fertige Studie und der Beratungsauftrag zur Ansicht zur Verfügung. Die umfangreichen Anlagen können für Vereinsmitglieder auf Nachfrage direkt zugestellt werden.
  • Kurzfassung Beratugsprojekt Dnepropetrowsk
    Download [pdf | 61 KB]
  • Studie zur energetischen Sanierung in Dnepropetrowsk
    Download [pdf | 1 MB]