Jahrestagung 2013 - Leben in großen Wohnsiedlungen
 

Leben in großen Wohnsiedlungen – Konferenz des Kompetenzzentrums Großsiedlungen e.V. betont die Bedeutung stabiler Nachbarschaften

Mehr als 120 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet haben am bislang heißesten Tag des Jahres, am 19.6.2013 parallel zur Rede von US – Präsident Obama über den sozialen Zusammenhalt in den großen Wohnsiedlungen diskutiert.
Anliegen der Jahreskonferenz des in Berlin – Hellersdorf angesiedelten Kompetenzzentrums war der bundesweite Austausch darüber, welchen besonderen Beitrag die großen Wohnsiedlungen zum sozialen Zusammenhalt unserer Städte leisten können – und zwar so, dass sie nicht als Auffangbecken sozial Benachteiligter, sondern als wichtiger Bestandteil einer sozialen Stadt gesehen und anerkannt werden.

Das einführende Gespräch des Vereinsvorsitzenden Dr. Bernd Hunger mit Abteilungsleiter Wolf Schulgen vom Berliner Senat und Maren Kern, Verbandsdirektorin des BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, resümierte die bisherige Politik, der Erneuerung der großen Wohnstädte im Ost- und Westteil der Stadt bereits seit dem Mauerfall einen hohen Stellenwert einzuräumen. Mittlerweile sei deren städtebauliche Weiterentwicklung und energetische Ertüchtigung ein Alleinstellungsmerkmal Berlins im Metropolenvergleich geworden. Für den in nächster Zeit notwendigen Neubau seien auch Flächen innerhalb der Wohngebiete geeignet, wobei es nicht um triviale Nachverdichtung, sondern um die Aufwertung des Bestandes auch durch ergänzenden Neubau gehen müsse. Nur so wäre die Akzeptanz bei der vorhandenen Bewohnerschaft zu erreichen.

Die Stadtsoziologin Prof. Sigrun Kabisch vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung schilderte am Beispiel der größten Leipziger Wohnsiedlung Grünau die Wandlungsfähigkeit großer Wohngebiete, die nicht nur baulich durch den Stadtumbau erfolgt, sondern ebenso durch die sich verändernden Bewohnerstrukturen und die sich wandelnden Bedürfnisse der Bewohnerschaft. Anhand einer seit 1978 laufenden Intervallstudie konnte sie zeigen, wie sich die Haltung der Bewohner von anfänglicher Zustimmung zu einer kritischen Sicht nach dem Mauerfall gewandelt hatte. Im jüngsten Befragungs-Intervall wurden wieder die positiven Werte der Entstehungszeit erreicht – ein Beleg dafür, dass die Grünau vom zwischenzeitlichen Sorgenkind nun in der Normalität der anderen Leipziger Stadtteile angekommen sei.

Die Stadtplanerin Prof. Maren Harnack hinterfragte das Bild der großen Wohnsiedlungen in der Öffentlichkeit. In der künstlerischen Avantgarde wie unter den Trendsettern der Werbung wird zunehmend die Ästhetik der großen Form und der seriellen Fertigung wieder entdeckt, die Moderne ist wieder "ästhetisch" in. Die nächste Generation, allen voran die Architekturstudenten, beginnt anscheinend, das komfortable Wohnen in der Großsiedlung bzw. im Hochhaus als alternativen neuen Lebensstil zu zelebrieren. Diese Wahrnehmungsverschiebung - von der Stigmatisierung zum wiedererwachten Interesse - brauche noch Zeit, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen, sei aber ein Trend, der die Akzeptanz der Wohnsiedlungen erhöhen dürfte.

Wie soziale Quartiersentwicklung praktisch funktioniert, zeigten drei Beispiele:

Frank Bielka stellte als Vorstand der degewo gemeinsam mit Theodor Winters, Geschäftsführer des Sanierungsträgers S.T.E.R.N. vor, wie die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft Berlins im Brunnenviertel und in der Gropiusstadt mit Quartiersmanagern zusammenarbeitet, um die Nachbarschaften zu stabilisieren.
Entscheidend für den Erfolg sei die Einbeziehung von Kitas und Schulen und die enge Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

Wie das geht, zeigten Jochen Kirchner, Bereichsleiter Stadtentwicklung und Rando Gießmann, Geschäftsführer der WIWOG Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft mbH, am Beispiel des Wohngebietes West in der Lutherstadt Wittenberg. Abgestimmt mit der Stadtverwaltung und sozialen Trägern betreibt die kommunale Gesellschaft gemeinsam mit der Wohnungsgenossenschaft ein Begegnungszentrum, welches sowohl Senioren als auch der jungen Generation unter dem Leitbild "Fit für den demografischen Wandel – alt werden und neu starten" – vielfältige Kultur- und Betreuungsangebote bietet.

Wie sich in Bremen der dicht bebaute und stigmatisierte Stadtteil Osterholz-Tenever "neu erfindet", beschrieben Ralf Schumann von der GEWOBA und der Quartiersmanager Joachim Barloschky. Der teilweise durch handlungsunwillige oder -unfähige Eigentümer heruntergewirtschaftete und von hohem Leerstand betroffene Stadtteil wurde in einer nahezu 10jährigen Gemeinschaftsaktion der kommunalen Gesellschaft mit den Bürgern und der Stadt durch Teilrückbau, Aufwertung des Wohnumfeldes und sensible Sozialarbeit in ein nachgefragtes und attraktives Wohngebiet verwandelt.

Aus Sicht des Berliner Senats schilderte Philipp Mühlberg die Ergebnisse des in Berlin bereits seit 2005 systematisch angelegten und mit zusätzlichen Landesmitteln betreuten Quartiersmanagements, das in vielen Wohnstädten eine sozial stabilisierende Arbeit leistet. Susanne Glöckner bestätigte seitens des Bundesbauministeriums, dass das zuständige Fachressort des Bundes die Arbeit der vielen engagierten Akteure in den Gebieten die Bedeutung des Programms Soziale Stadt schätzt und deren weitere Unterstützung anstrebt.

In der von Ulrike Silberberg moderierten Schlussrunde waren sich die Teilnehmer einig: Der von Bund, Ländern und Kommunen eingeschlagene Weg, die großen Wohnsiedlungen des 20.Jahrhunderts behutsam baulich zu erneuern und sozial zu stabilisieren, ist richtig, um allen Bevölkerungsschichten bezahlbares Wohnen in guter Qualität anbieten zu können und die Innenentwicklung der Städte zu stärken. Angesichts der sozialen Polarisierungstendenzen dürfe mit den Anstrengungen nicht nachgelassen werden – so müsse die besorgniserregende Unterfinanzierung des Programms Soziale Stadt überwunden werden und die Förderung des Wohnens wieder den Stellenwert erhalten, der in einer Zeit wieder anziehender Wohnungsnachfrage erforderlich ist.

Die Konferenz klang aus mit einem Spaziergang durch das von der degewo sanierte Hofgartenviertel und mit der Eröffnung einer Ausstellung des Kompetenzzentrums zur Erneuerung großer Wohnsiedlung in der Berliner Stadtentwicklungsbehörde.

Nähere Informationen zur Ausstellung und zu den Vorträgen auf der Konferenz finden sie unter www.gross-siedlungen.de. Direkte Anfragen an das Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. richten Sie bitte an info@gross-siedlungen.de


Jahrestagung des Kompetenzzentrums am 19.06.2013 in Berlin

Unter dem Motto: "Leben in großen Wohnsiedlungen - Soziale Stadt – Stabile Nachbarschaften – Bezahlbares Wohnen"
fand am 19. Juni 2013 in Berlin die diesjährige Fachtagung des Kompetenzzentrums Großsiedlungen statt.

Die von der Fachöffentlichkeit stark wahr genommene Tagung "Große Wohnsiedlungen – Wohnen mit Zukunft" im Juni 2011 hat eine Bilanz des bisherigen Umbau- und Erneuerungsprozesses in den großen Wohnsiedlungen des Mietwohnungsbaus des 20. Jh. gezogen und zukünftige Anforderungen diskutiert. Die zweite Tagung in Nürnberg 2012 widmete sich dem speziellen Thema der energetischen Erneuerung und der Potenziale, die die großen Wohngebiete hierbei einbringen.

Anknüpfend an die guten Erfahrungen der letzten beiden Jahrestagungen wird das Kompetenzzentrum Großsiedlungen auch in diesem Jahr Veranstalter einer Tagung mit bundesweitem Anspruch sein, die sich explizit den großen Wohnsiedlungen widmet.
Es geht darum, die auf die Innenstädte fokussierte städtebaupolitische Diskussion durch einen breiteren Blickwinkel auf die klimagerechte und sozialverträgliche Innenentwicklung der Städte zu ergänzen. Dabei spielen die großen Wohnsiedlungen, die seit den 1920er Jahren für breite Schichten der Bevölkerung errichtet wurden und in denen sich die große Mehrheit des Mietwohnungsbestandes befindet, eine zentrale Rolle.

Anliegen der diesjährigen Tagung ist der bundesweite Austausch darüber, welchen besonderen Beitrag die großen Wohngebiete zum sozialen Zusammenhalt unser Städte leisten können – und zwar so, dass sie nicht als Auffangbecken sozial Benachteiligter sondern als wichtiger Bestandteil einer sozialen Stadt gesehen und erkannt werden.

Insbesondere wird sich die Konferenz mit folgenden Themen beschäftigen:
- Welche Maßnahmen fördern auf der Quartiersebene den sozialen Zusammenhalt?
- Welche Verantwortung übernimmt die Wohnungswirtschaft, damit keine überforderten Nachbarschaften entstehen?
- Welchen Einfluss hat Belegungspolitik auf die soziale Stabilität und Zukunft der großen Wohnsiedlungen?

Die Konferenz will ca. 100 Akteure aus Wohnungs- und Bauwirtschaft, Bürgerschaft, Politik und Planungsbüros in Berlin zusammenführen. Projektpartner in diesem Jahr sind der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V..

Die Konferenz wird auch diesmal begleitet von einer Publikation, die Grundsatzbeiträge zum Tagungsthema mit einem Überblick über beispielhafte realisierte Vorhaben in den großen Wohngebieten verbindet.
 

Programm und Antwortmail

Hier ist das Programm der Fachtagung zur Einsicht und die Antwortmail, die Sie direkt ausfüllen und an uns, info@gross-siedlungen.de, absenden können.